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Papst Benedikt XVI. und der hl. Eugen von Mazenod

Zwar würdigt er den verstorbenen früheren Papst Benedikt XVI. als brillanten Denker, der aber wenig Verständnis für außereuropäische Sichtweisen auf das Christentum gehabt habe. "Ratzingers Stärke bestand darin, die traditionellen theologischen Sichtweisen, die insbesondere von Augustinus und Bonaventura grundgelegt wurden, in einer anderen Sprache zu formulieren. Außereuropäische Perspektiven blieben ihm aber fremd und verdächtig", schreibt Boff in einem Beitrag für die deutsche Zeitschrift "Publik-Forum". Die Konzentration auf das europäische Erbe habe den früheren Papst blind für ein plurales, weiter gefasstes Verständnis des Christentums gemacht.

Auch habe er die Kirche "als eine Art Bollwerk gegen die Irrtümer der Moderne" verstanden. Als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre sei Ratzinger "äußerst hart und unerbittlich" gewesen und habe zahlreiche Theologinnen und Theologen gemaßregelt. Boff nennt unter anderen Hans Küng, Jacques Dupuis, Gustavo Gutierrez, Jon Sobrino und Ivone Gebara, die allesamt „Freunde der Armen“ seien.

Arbeit an den Quellen
„sich Lösen von materiellen Bindungen“

Sein Leitspruch „Evangelizare pauperibus“ verweist auf die Armen, die für ihn immer zuerst die pastoral Vernachlässigten sind, denen niemand die Frohe Botschaft bringt und ihnen ihre Würde als Mensch bewusst werden lässt.

Der Missionar ist für Eugen ein „wahrhaft apostolischer Mensch“, der seinen Verkündigungsdienst in und durch die apostolische Gemeinschaft versieht. Eugen folgte seiner Vision, wonach der Seelsorge eine gemeinschaftliche Gestalt gegeben werden sollte, nicht nur zum Zweck einer effektiveren Zusammenarbeit, sondern auch zur gegenseitigen Unterstützung in der je eigenen Berufung, Menschen zu Gott zu führen. Zur Stabilisierung des Gemeinschaftslebens wollten die Missionare nach einer Regel leben, in der sich der gemeinschaftliche Charakter ihrer Sendung und ihres Auftrags zeigt. Dass dabei die Armut, das „sich Lösen von materiellen Bindungen“, als Zeichen der Glaubwürdigkeit des missionarischen Handelns in der Nachfolge Jesu besondere Beachtung fand, versteht sich für Eugen von selbst (CC&RR 19-23).

„Offenheit auf Gott“

Zahlreiche Parallelen zwischen Papst Benedikt XVI. und seinem derzeitigen Nachfolger Franziskus lassen sich beobachten. Beiden Kirchenführern ist etwa ein „Blick an die Ränder“ gemeinsam. Beide Päpste haben sich zudem für eine „Kirche der Armen“ ausgesprochen. Sie stehen damit in einer Reihe mit Papst Johannes XXIII., der bereits in seiner Friedensenzyklika „Pacem in terris“ vom 11. April 1963 von einer „Kirche der Armen“ gesprochen hat. Wie sein Nachfolger, Papst Franziskus, spricht Benedikt von einer armen Kirche, „die sich zur Welt geöffnet hat, um sich von ihren materiellen Bindungen zu lösen“ und deren „missionarisches Handeln wieder glaubhaft“ wird. Ratzinger entwirft das Bild einer inkarnatorischen Kirche, die „sich immer neu den Sorgen der Welt [öffnet], zu der sie ja selber gehört“, weil sie Teil der „Hinwendung des Erlösers“ an die Welt ist.